Oulo verlasse ich mit einem Fernbus. Zum Glück hatte ich nochmal ausdrücklich für mein Datum geschaut. Denn an meinem Abreisetag fährt nur ein einziger Bus in Richtung Norden, in Richtung der schwedischen Grenze. Sonst, an jedem anderen Tag sind es viele Busse, aber Samstag ist scheinbar nicht der Reisetag in Skandinavien.
Eine Erkenntnis, die ich heute noch einmal haben werde.
Der Bus bringt mich nach guten 2 Stunden, so wie ich dachte, an die schwedisch-finnische Grenze.
Als ich aber den Bus an der letzten Haltestelle verlasse, da betrete ich schon schwedischen Boden. Die Grenze liegt schon 100 Meter hinter mir. Cool. Man erkennt auch sofort, dass man in Schweden ist, in Sichtweite steht in blau und gelb der global vertretende Botschafter Schwedens: ein IKEA Möbelhaus. Außerdem stellen sich auch die Uhren wieder auf MEZ um.
Mal schauen, wie ich jetzt zum Bahnhof in Haparanda komme. Die gleiche Frage stellt sich auch Andreas aus der Schweiz, der mit Koffer, Rucksack und einem Skisack seit Kemi mit ihm Bus gefahren ist und jetzt auch zum östlichsten schwedischen Bahnhof muss.
Der Versuch ein Uber zu bestellen scheitert, die 1.5 Kilometer will ich mit dem Gepäck und bei der Kälte nicht laufen. Mit eiskalten Fingern lässt sich das Handy echt schlecht bedienen, aber wir finden heraus, dass unsere Lösung nur 20 Meter entfernt ist.
Auf der Rückseite des Haparanda Reisezentrums starten Busse und jener, der gerade noch dort steht, fährt zum Bahnhof.
Der Busfahrer ist Türke, hat wohl auch mal in Berlin gewohnt und quatscht mit uns auf der 3 Minutenfahrt, zu der er uns einlädt.
Also stehen wir gegen 11.30 Uhr vor dem Bahnhof in Haparanda und dürfen hier auf unseren Zug warten, der um 15.21 abfahren soll.


Der 1919 gebaute Bahnhof hat eine tolle Wartehalle und ist geheizt. Andreas und ich sind für die nächsten Stunden wohl die einzigen Wartenden.
Es gibt ein offenes WLAN, aber die Verbindung funktioniert nur so leidlich, daher reden wir etwas, wundern uns über stumme Besucher, die ab und an vorbeikommen.
Ein Highlight ist es, als eine 80-jährige ehemalige Lehrerin vorbeikommt, sich kurz aufwärmen will und einen Vortrag über ihr Leben, ihre Liebschaften und diesen Bahnhof hält.
Zwischenfragen sind schwierig, sie hat wegen der Kälte Ohrenschützer an, die es ihr angeblich schwer machen, uns zu verstehen.
Ein Schockmoment ist es auch, als wir nach 2 Stunden warten plötzlich auf der Anzeigentafel lesen, dass unser Zug, auf den wir noch weitere zwei Stunden warten müssen, abgesagt wurde. Waaaas? Wie sollen wir sonst hier wegkommen? Es wird auch ein zweiter Zug, der an diesem Tag fahren, einfach abgesagt.
Wir sind die einzigen Personen in diesem Gebäude, von der schwedischen Bahn ist weit und breit niemand.
Es gibt eine gelben Kasten mit drei Tasten, auf einem steht Information. Ich drücke diesen und hoffe, dass ich so vielleicht mit einem Menschen der Bahngesellschaft sprechen kann, aber dort kommt nur die Ansage: Information saknas.
Nach einem kurzen Telefonat mit meinem Bruder Andreas, der mir beim Übersetzen hilft, entschlüsseln wir diesen Satz als: Informationen fehlen.
WTF. Wir überlegen noch hin und her, was wir tun können, irgendwie soll auch ein Bus irgendwann in Richtung Lulea fahren.
In einem unbeobachteten Moment hat sich wohl die Anzeige geändert und plötzlich kann man dort auf schwedisch lesen, dass der Zug durch ein Taxi ersetzt wird.
Komisch, ein ganzer Zug soll durch ein Taxi ersetzt werden. Wie viele Taxis sollen da kommen.
Aber die Frage beantwortet sich dann nicht um 15.21 Uhr, sondern um ca. 45 Minuten später. Alle Fahrgäste des Zuges und unser Gepäck passen problemlos in einen Mercedes Van. Andreas, ich, eine junge Dame mit ihrem windigen Hund und der Fahrer, fünf Lebewesen machen sich auf den Weg nach Boden.
Nach Ende der Fahrt sprechen wir noch ein wenig mit dem Fahrer und er bestätigt meine Idee, dass die Bahngesellschaft sich die Buchungen für diesen Zug angeschaut hat und danach entschieden hat, dass der Einsatz eines Zugs für 2, bzw. 3 Personen ist mit einem Taxi effizienter und günstiger.
Mit dieser Erfahrung hinsichtlich des öffentlichen Personennahverkehrs hatte ich mich dann im Laufe des Wartens auch entschlossen, dass mein 4. Interrailreisetag in Boden nicht beendet sein wird, sondern, dass ich mit dem Nachtzug NT93 von Boden nach Uppsala fahren werde.
Ich wähle die Verbindung um 22.30 und buche mir noch eine Einzelkabine mit Dusche für 72 EUR dazu, um frisch um 9.23 in Uppsala anzukommen.
Wie es sich herausstellt, war es die richtige Entscheidung den späten Nachtzug zu wählen, denn als wir mit dem Taxi in Boden nach 2 Stunden ankommen, da ist gerade der andere Nachtzug abgefahren.
Mein Zug wird auch bereits jetzt mit 40 Minuten Verspätung angekündigt. Mein schweizer Mitfahrer ist kein Glücksbringer und er erzählt, dass bei Wintereinbruch auch in der hochgelobten Schweiz regelmäßig Züge sich verspäten und auch ausfallen.
Im Bahnhof gibt es ein tolles Burger-Restaurant, aber das schließt um 20 Uhr. Also sitzen Andreas und ich wieder 3 Stunden in einer Wartehalle, leider nicht so stilvoll, wie in Haparanda.


