Mariahamn (FI) – Tallinn (EST)

Auch die Fahrt über die offene See war kein Problem und so komme ich pünktlich von der schwedischen Hauptstadt in die estnische Hauptstadt.

Nach leichten Orientierungsproblemen bei der Auswahl der Buslinie fahre ich in die Innenstadt. Auch hier ist es wieder sehr einfach. Man hält einfach seine Kreditkarte nach dem Einsteigen an das dafür vorgesehene Gerät und schon ist man kein Schwarzfahrer mehr.

Das Hotel in Tallinn dürfte das beste Hotel der Reise sein und gleichzeitig auch das preiswerteste. Es ist eine ehemalige Bank und Privathaus, der Innenraum hat sehr viele Jugendstil-Elemente. Zu meiner Enttäuschung ist mein Zimmer aber nicht in diesem Hauptgebäude, sondern einmal über die Straße, aber hier habe ich ein riesiges Bett und einen tollen Blick über die Dächer der Stadt.

Dast Wetter ist trocken und daher starte ich umgehend mit dem Stadtrundgang.
Ich hatte am Morgen noch die Überlegung, dass ich wegen des günstigen Zimmerpreis um eine Nacht in Tallinn verlängere, aber als ich am Hafen die Größe der Altstadt sah, war ich mir sicher, dass man das Sightseeing in einem Tag schafft.
Grundsätzlich ist das richtig und machbar, aber nach den ersten Schritten wurde mir klar, hier hätte ich besser zwei Nächte bleiben sollen. Aber in der ersten Woche habe ich doch ein straffes Programm und so hatte ich mich für zwei Nächte in Helsinki entschieden.

Die Esten wurden in den letzten 900 Jahren abwechselnd von den Dänen, Deutschen, Schweden und den Russen regiert. Erst in letzten Jahrzehnten ist man unabhängig und Mitglied in der EU.

Auch der Name von Tallin wechselte über die Jahrhunderte. Die längste Zeit galt der Name Reval, Revel, der heutige Name entwickelt sich aus den Dänischen Worten Dan Linn (dänische Burg) hin zu Tallinn.

An den den Gebäuden kann man zum Teil noch die einzelnen Phasen der Regentschaft ablesen. Man erkennt Gebäude aus der deutschen Hansezeit, Symbole der russischen Kirche, die eigentlich kein Herrscher dort haben wollte und Holzhäuser der Dänen und Esten.

Nach einer kurzen Mittagspause gehe ich am Abend auf die Piste und schaue durch die Menüs der Restaurants. Die Unterkunft war recht günstig, aber die Essens- und vor allem Getränkepreise haben schon gehobenes, deutsches Großstadtniveau.
Aber so eine mittelalterliche Stadt hat natürlich ganz besonders eindrucksvolle Seiten bei Nacht, im Schein der gelben Laternen.

Auf meinem Rundgang entdecke ich dann ein einfaches Kovki (Kaffee), in welchem man und vor allem russische Spezialitäten bekommt.
Russland ist, gerade auch im Hinblick auf den Ukraine-Krieg, nicht besonders angesehen, das sieht man auch an der russischen Botschaft, wo zahlreiche Protestplakate hängen und ständig eine „Politsei“-Abordnung steht. Aber ganz verdrängen lässt sich das russische Erbe nicht, schließlich sind mehr als 30 % der Einwohner Estlands Russen.

Bei den russischen Spezialitäten muss ich also zuschlagen, der Laden ist leicht schäbbig und die Preise sind günstig. Daher bestelle ich mir eine Borschtsch Suppe und eine Ladung Pelmeni.
Alles wird für mich von einer schlecht gelaunten Köchin frisch aus dem Tiefkühler gekocht, mit ordentlich Dill garniert und heiß an den Tisch gebracht.
Das Essen schmeckt wunderbar.

Herrlich, mit einem warmen Gericht im Bauch, ziehe ich weiter. In der Stadtmauer sehe ich zu meiner Linken den Hinweis Metal-Bar Barbar. Ok, die Jungs haben Humor, nichts wie rein.

Der Laden ist sehr klein, entsprechend sitzt dort nur ein einzelner, schweigsamer Gast und der Wirt hinter der Theke. Es werden über den Abend auch nie viele Gäste.

Nachdem der Schweiger verschwunden ist, kommt ein finnisches Paar herein, diese kommen aus dem Norden Finnlands, ich habe nicht verstanden, ob sie Lappen sind. Wie ich am Sonntag erfahren werde habe, ist diese Bezeichnung innerhalb von Finnland wohl noch politisch korrekt.
Dieses finnische Paar bestellt sich zwei Getränke im Wert von 11.50 EUR, hat aber nur Scheine zum Bezahlen und wohl auch keine Kreditkarte dabei. Im Gegenzug hat der Wirt kein Wechselgeld. Also springe ich kurz ein und bezahle die 1,5 EUR.
Die Finnen bedanken sich höflich, der Wirt verschwindet zum Nachbarn um Wechselgeld zu holen und ich versuche mit mittels Google Translator ein Gespräch ins Laufen zu bekommen. Aber welche Sprache die beiden auch immer sprechen, die Nutzung von vollständigen Sätzen gehört nicht zur Grundausstattung. Aber das kann natürlich auch an der Art der Diskussion liegen.

Als ich erzähle, was ich für die kommenden Tage plane, ruft der Finne schnell einen Kumpel in Nordfinnland an und fragt nach der Polarlichtwahrscheinlichkeit. Also im Helfen sind sie sehr groß. Mein nächstes Bier geht auf die Finnen, sie verlassen aber danach sofort die Bar. Ob das wohl auch an mir liegt?

Kurze Zeit später geht wieder die Tür auf und ein stürmisches Paar, offensichtlich Esten, kommt herein. Beide schon sehr gut unterwegs. Der Mann gibt an, dass er Geburtstag habe, so gibt erstmal eine Lokalrunde. Ok, es sind ja nur 4 Leute.
Mit dem Geburtstag feiern nehmen sie es auf jeden Fall ernst, er läuft schon ständig ohne Hemd durch den Laden und sie untersuchen intensiv gegenseitig der Mund und Rachen. Sie erzählen uns, dass sie eine kleine Tochter haben und diese heute von einer sehr attraktiven Babysitterin versorgt wird. Außerdem sei er Werbefilm-Produzent. Da mache ich mir also keine Gedanken, wenn ich keinen zurück ausgebe. Zumal mich Johannes, der Wirt, diese Situation schon sehr viel früher erkennt und mich bremst die Leute aus Höflichkeit einzuladen.

Nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei, Johannes und ich freuen uns über die Ruhe.

Die nächsten Akteure in dieser kleinen Bühne sind ein junges Paar aus Dänemark. Wir finden schnell eine Basis zum Quatschen und trinken ein paar Mintuu-Pfefferminz-Schnäpse.

Doch wie im guten Drama, kommt kurz vor Dientschluss noch die Reprise. Der estnische Filmproduzent taucht wieder auf. Diesesmal aber ohne seine Size-Zero-Blondine. Er ist am Boden zerstört, er würde sie nicht mehr finden, sie sei verschwunden. Johannes, der immer von hinter der Bar die Straße im Blick hat, meint gesehen zu haben, dass sie vor ihm weggelaufen sei.
Sein übersteigerter Alkoholgenuss schränkt auch deutlich seine Fähigkeit ein, dass wir eine gemeinsame Sprache nutzen.
Irgendwann schafft es Johannes, dass das vermeintliche Geburtstagskind die Bar verlässt.

Auch das dänische Paar macht sich auf den Heimweg und ich schließe mich an. Fast …

Auf dem Weg in mein Hotel liegen dummerweise noch einige Karaoke-Bars. Eine nehme ich davon mit, aber so recht komme ich nicht in die richtige Tonart und daher schleiche ich geknickt in meine Unterkunft.

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